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User Experience Design für digitale Healthcare Produkte

UX-Design für digitale Healthcare Produkte fördert Barrierefreiheit und Patientenbeteiligung, reduziert User-Friction und vereinfacht komplexe Prozesse in der Gesundheitsversorgung.

Ein Mensch mit Arztkittel hält ein Handy in den Händen.

Das finanzielle Potenzial der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist mit jährlich 42 Milliarden Euro sehr groß, wie man dem McKinsey E-Health Monitor 2022 entnehmen kann. Die Zukunft des Gesundheitswesen wird personalisiert, patientenorientiert und datengesteuert sein – dieser Prozess wird unterstützt durch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGas). Warum ist UX-Design im Kontext digitaler Gesundheitsprodukte, also “Healthcare-UX-Design”, so wichtig?

“Healthcare-UX-Design” meint die Gestaltung der User Experience von digitalen Produkten oder Dienstleistungen aus dem Gesundheitswesen. Im Gesundheitswesen beinhaltet dies zum Beispiel die Gestaltung von digitalen Schnittstellen, medizinischen Geräten, Gesundheits-Apps oder Interfaces medizintechnischer Produkte, um eine intuitive und angenehme Erfahrung für die Benutzer:innen, beispielsweise Ärzt:innen, Patient:innen oder Pflegekräfte, zu gewährleisten. Das reicht von Kommunikationstools in Krankenhäusern, über digitale Patiententagebücher bis hin zu Apps, die Arzttermine vereinbaren. UX- oder UI-Design im Healthcare Bereich unterscheidet sich von dem in anderen Bereichen hinsichtlich der Auswirkungen auf die User. 

Ein schlechtes UX-Design einer Diabetiker-App kann massiven Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der User bzw. Patient:innen haben. 

Wenn du dich für eine Analyse hinsichtlich der Barrierefreiheit deiner Software interessierst, kannst du dir unsere UX-Analyse ansehen.

Im Zuge der fortlaufenden Digitalisierung des Gesundheitswesen muss man verstehen, was User bei der Interaktion mit digitalen Gesundheitsprodukten und Dienstleistungen benötigen. Im besten Fall trägt ein gutes UX-Design dazu bei, die Interaktion zwischen Ärzt:innen und Patient:innen zu verbessern - was unter anderem zu einem beidseitigen Zeitersparnis führt. Außerdem werden die Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit (Accessibility) sowie die Therapietreue erhöht, wodurch langfristig Kosten gesenkt werden können. 

Auf was sollten UX-Designer:innen bei der Gestaltung digitaler Gesundheitsanwendungen aktiv Einfluss nehmen?

Barrierefreiheit

Weltweit leben über eine Milliarde Menschen mit einer Form der Behinderung, das sind 16% der Weltbevölkerung. Was bedeutet, dass ein nicht-barrierefreies digitales Produkt jeden sechsten von uns ausschließt. 

UX-Designer:innen sollten daher die Anforderungen der WCAG (Web Content Accesssibility Guidelines) bei der Gestaltung digitaler Produkte - insbesondere aus dem Healthcare Bereich - beachten. Werden diese Anforderungen erfüllt, sind digitale Produkte für Menschen mit Seh-, Hör-, Sprach-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen zugänglich und nutzbar. Ein Beispiel für ein nicht-barrierefreies UX-Design sind Hyperlinks, die keinen beschreibenden Text mit Hinweis auf das Ziel enthalten, etwa ein Link mit dem Text “hier”. Für Sehgeschädigte sind dadurch die Informationen schwer zu erfassen. Eine konkrete Bezeichnung mit z.B. “hier zum Artikel XY” ist besser. 

Ein weiteres inklusives Anwendungsbeispiel ist "Be My Eyes", eine App, die es blinden und sehbehinderten Menschen ermöglicht, durch eine Videoverbindung die Unterstützung sehender Freiwilliger zu erhalten. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie man als UX-Designer:in inklusive Apps und Websites gestaltet, kannst du dir unseren Blogartikel zur digitalen Barrierefreiheit im UX-Design anschauen.

Die App “Be my Eyes” bietet Usern mit eingeschränkter Sehfähigkeit in Kooperation mit Microsoft technischen Support an.

User Testings

Im Gesundheitswesen stehen häufig zwei Hauptnutzergruppen im Fokus: einmal die Ärzt:innen und einmal die Patient:innen. Diese beiden Nutzergruppen haben eigene Anforderungen und Motivationen, die bei der Gestaltung der Gesundheitsprodukte beachtet werden müssen. Ein Beispiel:  Die Ärzt:innen haben in der Regel wenig Zeit und enge Terminpläne, dem gegenüber stehen die Patient:innen die meist gestresst oder verängstigt sind und unbedingt schnell Informationen oder Betreuung erhalten wollen. Das digitale Gesundheitsprodukt muss als effiziente Schnittstelle funktionieren, welche die Kommunikation beider Seiten zufriedenstellend gewährleistet. Wenn User bei der Nutzung einer App mit Hindernissen oder Schwierigkeiten konfrontiert sind, welche die intuitive Nutzung oder das Erzielen eines gewünschten Ergebnisses verhindern, spricht man von Friction. Im Behavioural Design geht man davon aus, dass dieser Bias, also diese kognitive Verzerrung, dazu führt, dass User die App frühzeitig verlassen und sich bei der Nutzung extrem unwohl fühlen. Wenn du mehr über die Methoden aus dem Behavioural Design erfahren möchtest, schau gerne hier vorbei.

Um die User Friction so gering wie möglich zu halten, sollten im Designprozess regelmäßige User-Testings mit Vertreter:innen der entsprechenden Zielgruppen vorgesehen sein – so wird die Usability der Anwendung stetig zu verbessert. Ein Beispiel für den Einsatz von User Testings ist die Entwicklung der Telemedizin-Plattform "Zocdoc". Das Unternehmen führte umfangreiche User Testings durch, bei denen Ärzte und Patienten eingebunden wurden, um die Benutzerfreundlichkeit der Plattform zu optimieren. Aufgrund des Feedbacks der Benutzer wurden Verbesserungen vorgenommen, um die Terminvereinbarung und Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten effizienter und benutzerfreundlicher zu gestalten.

User der App “Zocdoc” haben die Möglichkeit, die Bewertungen und Rückmeldungen des Anbieters einzusehen – der Social Proof Bias wird hier angewandt.

Vereinfachung komplexer Prozesse

Gesundheitssysteme sind oft mit komplexen Prozessen verbunden, die für viele Menschen schwierig nachzuvollziehen sind. UX-Designer:innen können dazu beitragen, diese Komplexität zu vereinfachen und zum Beispiel Terminvereinbarungen mit den Ärzt:innen oder die Einsicht medizinischer Aufzeichnungen zu vereinfachen. Eine Verbesserung der Benutzeroberfläche, eine Optimierung der Workflows oder die Integration benutzerfreundlicher Funktionen kann die User-Friction (also die “Reibungspunkte”)  bzw. die Hindernisse, denen sich User gegenüber sehen, minimieren.

Ein Beispiel für die Vereinfachung solcher Prozesse ist die Gesundheitsplattform "MyChart" von Epic Systems. Sie ermöglicht es Patient:innen, einfach und intuitiv auf ihre medizinischen Aufzeichnungen, Termine und Labortests zuzugreifen. Durch die benutzerfreundliche und intuitive Gestaltung der App, sowie die Integration wichtiger Funktionen werden komplexe Prozesse vereinfacht und die eigenständige Informationsbeschaffung der Patient:innen ermöglicht.

Förderung der Patientenbeteiligung

Eine positive User Experience ermutigt Patient:innen zur aktiven Teilnahme an ihrer eigenen Gesundheitsversorgung. Durch die Gestaltung von Gesundheitsprodukten, die benutzerfreundlich sind, können User dazu motiviert werden, Therapien und Behandlungen konsequent einzuhalten – ihre Therapietreue wird erhöht. Dies kann langfristig zu besseren Behandlungsergebnissen führen und die Gesundheit der Patient:innen verbessern. Eine Gesundheits-App für chronisch Kranke könnte beispielsweise personalisierte Erinnerungen und Benachrichtigungen enthalten, um Patient:innen an die Einnahme ihrer Medikamente zu erinnern oder ihnen wichtige Informationen zu ihren Therapien zur Verfügung zu stellen. Durch die Integration von Gamification-Elementen wie Belohnungen und sozialer Interaktion wird die Motivation der User gesteigert und ihre aktive Teilnahme gefördert – sie werden in eine bestimmte Richtung genudged (deutsch: gestupst). Hier könnt ihr mehr über die Methodik des Digital Nudgings erfahren.

Reduktion von Fehlern und Missverständnissen

Eine intuitive Benutzeroberfläche und klare Kommunikation sind entscheidend, um potenzielle Fehler und Missverständnisse bei der Nutzung von Gesundheitsprodukten zu minimieren. Besonders im Gesundheitswesen können Missverständnisse oder falsch interpretierte Informationen schwerwiegende Konsequenzen haben. Deshalb ist es die Aufgabe von UX-Designer:innen, durch sorgfältige Gestaltung von Benutzerinteraktionen, verständliche Anweisungen und klare Darstellung von Informationen sicherzustellen, dass User die Anwendung korrekt nutzen und keine gesundheitlichen Risiken entstehen. Ein effektives UX-Design von Fehlermeldungen beinhaltet klare Kommunikation, relevante Informationen und eine benutzerfreundliche Interaktion. Dadurch wird die Benutzererfahrung verbessert, indem die Frustration und Verwirrung bei technischen Problemen minimiert werden. So kann z.B. durch unverständliche und schlecht gestaltete Error Messages die User Friction enorm erhöht werden.

Ein weiteres Beispiel für die Reduktion von Fehlern und Missverständnissen ist die Medikamentenverwaltungs-App "Medisafe". Diese App erinnert User daran, ihre Medikamente einzunehmen, und bietet detaillierte Informationen zu Dosierungen, Wechselwirkungen und möglichen Nebenwirkungen. Durch eine benutzerfreundliche Gestaltung und klare visuelle Darstellung der Medikamenteninformationen trägt Medisafe dazu bei, dass Patient:innen ihre Medikamente korrekt einnehmen und mögliche Fehler oder Überdosierungen vermeiden können.

Medisafe macht die User untere anderem auf mögliche Nebenwirkungen bei der Kombination von Medikamenten aufmerksam.

Fazit

Die Integration eines guten UX-Designs in ein digitales Healthcare Produkt sollte nicht länger als optional, sondern als essentiell betrachtet werden.

Vom Empowerment der Patient:innen und einer verbesserten Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bis hin zur Entlastung des medizinischen Fachpersonals, kann durch UX Design das “Healthcare” Erlebnis von Patient:innen maßgeblich beeinflusst und verbessert werden. Durch die Gewährleistung der Barrierefreiheit, regelmäßige User Testings, die Vereinfachung komplexer Prozesse und die Förderung der Patientenbeteiligung können UX-Designer:innen einen großen Einfluss auf die Gesundheitsversorgung nehmen. Mit innovativen Lösungen und nutzerzentriertem Design können sie dazu beitragen, dass digitale Gesundheitsanwendungen effektiver, zugänglicher und benutzerfreundlicher werden. Werden im Prozess auch noch Methoden aus dem Behavioural Design angewandt, können langfristig gesündere Verhaltensweisen bei den Usern bzw. Patient:innen etabliert werden.

User Experience Design für digitale Healthcare Produkte
Julia Reinemann
June 16, 2023