Digital Nudging beschreibt die Methode, Benutzeroberflächen so zu gestalten, dass menschliche Entscheidungsprozesse auf eine vorhersehbare Weise beeinflusst werden können.
Nudges im Allgemeinen sind “mentale Stupser”, die das Verhalten und die Entscheidungsfindung von Menschen beeinflussen sollen, ohne ihre Autonomie einzuschränken. Digitales Nudging ist die explizite Nutzung von verhaltensökonomischen und verhaltenspsychologischen Erkenntnissen im digitalen Kontext. Beim digitalen Nudging werden Designelemente in die Benutzeroberfläche von digitalen Produkten wie beispielsweise Apps und Websites platziert, um somit den Entscheidungsrahmen und die damit verbundene Entscheidungsfindung von User in eine gewünschte Richtung zu lenken. Denn die Wissenschaft zeigt, dass Menschen ihre Entscheidungen nicht nur basierend auf den reinen zur Verfügung stehenden Optionen fällen, sondern dass die Wahlumgebung selbst einen Einfluss auf die Entscheidung hat. So können einfache Änderungen an der Benutzeroberfläche, in der Entscheidungsoptionen präsentiert werden, die Entscheidungen von Menschen beeinflussen.
"Was gewählt wird, hängt oft davon ab, wie die Wahl präsentiert wird".
Dolan P, Hallsworth M, Halpern D, King D, Metcalfe R, Vlaev I (2012) Influencing behaviour: the mindspace way. J Econ Psychol 1(33):264–277
Digitales Nudging wird beispielsweise in Online-Shops eingesetzt, um das Kaufverhalten von Usern zu beeinflussen und somit den Umsatz zu steigern. Einfache Beispiele hierfür sind im richtigen Moment präsentierte personalisierte Produktempfehlungen, Verknappungs-Botschaften (z. B. "Nur noch 3 Artikel auf Lager") und Social-Proof-Indikatoren (z. B. "1000 Menschen haben dieses Produkt gekauft"). Die Nudging Methode kann aber ebenfalls in Gesundheits- und Fitness-Apps eingesetzt werden, um gesündere Gewohnheiten zu fördern und User zu motivieren, ihre Fitnessziele zu erreichen. Beispielsweise durch den gezielten Einsatz von Benachrichtigungen, dem Integrieren von Gamification oder Social-Sharing-Elementen.
Das Fundament für digitales Nudging bilden die Erkenntnisse der Sozialpsychologie, Neurowissenschaften, Evolutionspsychologie, Verhaltensökonomie, Verhaltenspsychologie. Aufgrund der Komplexität unserer kognitiven Prozesse und der Grenze unserer Entscheidungsfähigkeit werden Menschen in ihren Entscheidungsprozessen oft von Heuristiken (mentalen Abkürzungen) und Biases (mentalen Verzerrungen) bestimmt. Wie in Daniel Kahnemans (Nobelpreisträger 2002) Buch "Thinking, Fast and Slow" hervorgehoben, wird unser Denken von zwei Systemen gesteuert: Dem schnellen, intuitiven und automatischen System 1 und dem langsamen, überlegten und analytischen System 2. Während System 1 mühelos funktioniert und sich oftmals auf Heuristiken und Biases stützt, erfordert System 2 bewusste Anstrengung und kognitive Energie. Einfach ausgedrückt, führt dies aufgrund des höheren Energieverbrauchs von System 2 dazu, dass wir uns immer öfter auf unsere mentalen Abkürzungen von System 1 verlassen, selbst wenn diese nicht zwangsläufig gut für uns sind. Heuristiken und Biases helfen uns zwar schnell Entscheidungen zu treffen, können aber aufgrund dessen zu systematischen Fehlern und Abweichungen von der Rationalität führen. Sind wir beispielsweise auf der Suche nach einem Restaurant, wägen wir in den meisten Fällen nicht rational alle uns zur Verfügung stehenden Informationen gegeneinander ab. (Preis, Lage, Fahrzeit etc.) Wir vertrauen in den meisten Fällen auf die Bewertung anderer (Social Proof Biase). Dieses System 1 gesteuerte Denken machen sich Beispielsweise Bewertungsplattformen wie Trustpilot, Check24 aber auch Google Maps zu Nutze. Wenn wir das Zusammenspiel zwischen den beiden Systemen und den Einfluss von Heuristiken und Biases verstehen, können wir besser nachvollziehen, warum und wie Menschen auch im digitalen Context Entscheidungen treffen.
Digitales Nudging bringt für verschiedene Parteien eine Reihe von Vorteilen, aber auch eine Vielzahl an ethischen Überlegungen mit sich. Für User von Apps und Software-Produkten bietet es Vorteile wie personalisierte Empfehlungen, vereinfachte Entscheidungsfindung und verbesserte Nutzererfahrungen. Unternehmen wiederum können von digitalem Nudging profitieren, indem sie mit Hilfe der Beeinflussung von Kaufentscheidungen ihre Umsätze steigern und beispielsweise die Kundenbindung erhöhen.
Digital Nudging bietet Unternehmen eine evidenzbasierte Methode, um das Verhalten von Usern zu beeinflussen und gewünschte Verhaltensweisen hervorzubringen. Durch die strategische Gestaltung von Nudges in digitalen Plattformen können Unternehmen User dazu bringen z.B. einen Kauf abzuschließen, sich für einen Service anzumelden oder sich mit bestimmten Inhalten zu beschäftigen. Dies kann zu höheren Konversionsraten, einer stärkeren Kundenbindung und einer verbesserten Gesamtleistung des Unternehmens führen.
Gut konzipierte digitale Nudges haben das Potenzial, das Benutzererlebnis zu verbessern, indem sie die Benutzeroberfläche intuitiver und persönlicher machen und somit Entscheidungsprozesse der User vereinfachen. Durch den Einsatz digitaler Nudging-Techniken können Unternehmen eine nutzerzentrierte Umgebung schaffen, die die Bedürfnisse der User antizipiert und somit die Benutzerfreundlichkeit erhöht und die Kundenzufriedenheit steigert.
Digital Nudging kann ein Instrument zur Förderung positiver Verhaltensänderungen sein. Unternehmen können Nudges nutzen, um gesündere Gewohnheiten, nachhaltige Entscheidungen oder sozial verantwortliches Handeln zu fördern. So können beispielsweise Fitness Apps ihre User zu regelmäßigem Sport anregen oder Plattformen für die Lieferung von Lebensmitteln Nutzer und Nutzerinnen zum Kauf von gesunden Lebensmitteln animieren. Durch die aktive Förderung vorteilhafter Verhaltensweisen können Unternehmen zum gesellschaftlichen Wohlergehen beitragen und sich an den Werten ihrer Zielgruppe orientieren.
Digital Nudging stützt sich auf die quantitative und qualitative Analyse von Nutzerdaten und Verhaltensmustern, um effektive Maßnahmen zu entwickeln. Durch das Sammeln und Bewerten von Daten im Zusammenhang mit Benutzerinteraktionen können Unternehmen wertvolle Einblicke in Nutzerpräferenzen, Entscheidungsprozesse und Schmerzpunkte gewinnen. Dieser datengesteuerte Ansatz ermöglicht Unternehmen eine radikale kundenorientierte Herangehensweise an die Weiterentwicklung ihrer Produkte und Services.
Der Einsatz von digitalem Nudging kann sich positiv auf das Nutzererlebnis (User Experience) auswirken. Korrekt implementiert vereinfacht es Entscheidungsprozesse, indem es in richtigen Momenten Hinweise liefert, welche System 1 zu einer schnellen und kognitiv leichten Entscheidung verhilft. Ziel von digitalem Nudging sollte es also sein, Benutzeroberflächen so zu gestalten, dass User ihre Ziele möglichst im Autopilot erreichen können. Die Reduktion von kognitiver Belastung und mentaler Friktion steht hier im Vordergrund. Nutzer und Nutzerinnen können effizienter durch digitale Plattformen navigieren, was zu einem intuitiven Erlebnis und einer erhöhten Nutzerzufriedenheit führt.
Darüber hinaus können für digitales Nudging Nutzerdaten genutzt werden, um das Erlebnis der User zu personalisieren und relevante Empfehlungen und Inhalte zu liefern. Diese Personalisierung schafft ein Gefühl der Relevanz und verbessert somit ebenfalls das gesamte Nutzererlebnis.
Darüber hinaus kann digitales Nudging die Nutzerzufriedenheit verbessern, indem es User strategisch zu bestimmten Aktionen oder Verhaltensweisen anregt. So können z.B. Anreize zur Verfolgung von Fortschritt dazu führen, dass Nutzer und Nutzerinnen ein Gefühl entwickeln, etwas erreicht zu haben, ohne effektiv weitergekommen zu sein.
Dabei müssen jedoch ethische Bedenken in Bezug auf die Autonomie des Nutzers und deren Datenschutz berücksichtigt werden. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen dem Einsatz von digitalem Nudging zur Optimierung von Unternehmenskennzahlen und der Achtung der Nutzerrechte zu finden.
Der Einsatz von Nudges wirft oftmals Fragen zur Autonomie und Zustimmung der Nutzer auf. Zu den ethischen Bedenken gehören Fragen des Datenschutzes, der Datenerfassung und der möglichen Manipulation. In digitalen Umgebungen ist es entscheidend, das richtige Gleichgewicht zwischen eigenen Interessen und der Benutzer-Autonomie zu finden, um sicherzustellen, dass Nudges die individuellen Entscheidungen respektieren und die Benutzer nicht übermäßig ausnutzen. Um diese ethischen Erwägungen zu berücksichtigen, ist es wichtig, Sicherheitsvorkehrungen und Leitlinien einzuführen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Nudging-Techniken fördern. Es ist eine ständige Herausforderung, die Vorteile des digitalen Nudging für Nutzer und Unternehmen auszugleichen und gleichzeitig die ethischen Implikationen zu berücksichtigen. Ethische Rahmenwerke, Industriestandards und regulatorische Maßnahmen können als Orientierungshilfe dienen und sicherstellen, dass digitales Nudging auf ethische und verantwortungsvolle Weise durchgeführt wird.
Im Zusammenhang mit digitalem Nudging werden auch oft die sogenannten Dark Patterns erwähnt. Unter Dark Patterns versteht man trügerische oder manipulative Design Techniken, die dazu dienen, das Nutzerverhalten so zu beeinflussen, dass Unternehmen auf Kosten der Interessen der Nutzer profitieren. Dark Patterns nutzen Heuristiken und Biases aus, um User auszutricksen oder zu zwingen, Handlungen vorzunehmen, die sie nicht beabsichtigt haben. Beispiele für Dark Patterns sind irreführende Informationen, versteckte Kosten oder Abonnements, erzwungene Opt-Ins, als Inhalt getarnte Werbung und bewusst verwirrende Benutzeroberflächen. Diese Praktiken stellen Geschäftsziele über die Bedürfnisse der User und können zu Frustration, Misstrauen und einer negativen Reputation des Unternehmens führen.
Digitales Nudging beschreibt die Nutzung von verhaltensökonomischen und verhaltenspsychologischen Erkenntnissen im digitalen Kontext, um Nutzerverhalten subtil in eine vom Entscheidungsarchitekten gewünschte Richtung zu lenken. Unternehmen sollten sich mit digitalem Nudging befassen, da es eine Methode zur Beeinflussung des Nutzerverhaltens, zur Verbesserung der Benutzererfahrung und zur Förderung von Verhaltensänderungen darstellt. Beim Einsatz von Nudging müssen ethische Überlegungen jedoch immer eine Rolle spielen, um das richtige Gleichgewicht zwischen den eigenen Interessen und der Benutzer-Autonomie zu finden.